Unsere Plastikkrise – Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Plastikatlas 2019

Überquellender Müllcontainer voller Plastikmüll

Plastik. Es ist überall. Sei es der Strohhalm im Cocktail, die Plastiktüte im Supermarkt, der to go-Becher im Lieblingscafé, die Cola-Flasche – oder aber unser Handy, Teile unseres Autos und medizinische Hilfsprodukte. Plastik ist leicht, unzerbrechlich, multifunktional, praktisch und hält quasi ewig. Und genau das ist das Problem.

Denn wie wir bereits wissen: Every single piece of plastic ever made, still exists. Ob es nun in seiner ursprünglichen Form, oder als zerfallenes Mikroplastik ist.

Es ist mittlerweile mehr als klar: Wir müssen handeln und Plastik reduzieren – nicht nur auf Seiten der Verbraucher, sondern auch von Seiten der Hersteller.

Der BUND hat zusammen mit der Heinrich-Böll-Stiftung am 06.06.2019 den “Plastikatlas 2019” herausgebracht. Der Plastikatlas geht in ca. 50 Seiten ausführlich auf das Ausmaß unserer aktuellen “Plastikkrise” ein und erklärt, was dagegen getan werden kann und muss.

Wir haben den Plastikatlas ausgiebig studiert, und extra für dich die interessantesten und erschreckendsten Erkenntnisse zusammengefasst.

Let’s go!

Weltweit wurden 8,3 Milliarden Tonnen Kunststoff hergestellt – 75% davon ist heute Müll

Zwischen 1950 und 2015 wurden weltweit 8,3 Milliarden Tonnen Plastik produziert. Umgerechnet auf die aktuelle Weltbevölkerung entspricht das 1 Tonne Plastik pro Person, die produziert wurde. Wobei natürlich die Industrienationen in Realität den größten Plastikkonsum pro Kopf haben.

Stolze 44% dieser 8,3 Milliarden Tonnen Plastik wurden erst ab dem Jahr 2000 produziert. Über 75% davon sind heute Müll und lediglich 2,5 Milliarden Tonnen sind noch in Gebrauch.

Jährlich werden 400 Millionen Tonnen Plastik neu produziert. Das ist eine beachtliche Menge. Nicht alles – aber ein Großteil davon – sind Kunststoffe für Verpackungen und Einwegprodukte (146 Millionen Tonnen), die direkt wieder im Müll landen. Nach aktuellen Schätzungen werden 40% der neu produzierten Plastikprodukte innerhalb eines Monats wieder weggeworfen.

2016 verursachten wir Deutschen rund 38 Kilogramm Plastikverpackungsabfälle pro Kopf. Damit sind wir fast Spitzenreiter. Nur in Luxemburg (50,5), Irland (46,2) und Estland (42,2) ist der Verbrauch noch höher.

Menge an Plastikproduktion je Industriezweig in Tonnen pro Jahr
Grafik: PLASTIKATLAS | Appenzeller/Hecher/Sack, CC BY 4.0

Doch die Plastikindustrie tritt trotz der aktuellen Umweltsituation nicht auf die Bremse. Im Gegenteil. Sie fördert weiterhin die Kunststoffproduktion. So sollen bis zum Jahr 2025 voraussichtlich 600 Millionen Tonnen Plastik pro Jahr produziert werden.

Da die Recycling-Systeme schon heute Probleme mit der unfassbaren Menge an Plastikmüll an ihre Grenzen kommen, kann eine weitere Steigerung des Kunststoffabfalls quasi nicht mehr bewältigt werden.

Weniger als 10% des jemals produzierten Kunststoffes wurde tatsächlich recycelt

Von den 8,3 Milliarden Tonnen Plastik, die seit 1950 produziert wurden, wurden 4,6 Milliarden Tonnen “entsorgt”, 700 Millionen Tonnen verbrannt und nur 500 Millionen Tonnen recycelt. Somit wurden nicht einmal 10% des jemals produzierten Kunststoffes recycelt.

Darstellung wie viel Plastik entsorgt, in Gebrauch, verbrannt ode recycelt ist.
Grafik: PLASTIKATLAS | Appenzeller/Hecher/Sack, CC BY 4.0

Das liegt zum einen daran, dass sich die Verarbeitung vieler Kunststoffe zum sogenannten “Rezyclat” nicht lohnt. Das Sortieren und Aufarbeiten von gebrauchtem Kunststoff ist teuer und aufwendig. Außerdem ist Rezyclat nicht so rein, wie neuer Kunststoff. Kunststoff ist außerdem sehr günstig in der Neuproduktion.

Der Aufwand für das Recycling ist für Hersteller also größer, als einfach neuen Kunststoff herzustellen.

Plastik gilt bereits als recycelt, wenn er ins Ausland exportiert wird

Immer wieder wird von den hohen Recyclingquoten unserer Industrienationen gesprochen. Bei bis zu 45% soll sie in Deutschland liegen.

Als Verbraucher bzw. Müllproduzent gehst du also davon aus, dass bei korrekter Mülltrennung das weggeworfene Plastik zu hoher Wahrscheinlichkeit wiederverwendet wird. Dem ist aber leider nicht so.

Tatsächlich liegt die Plastik-Recyclingquote bei unter 40% sagt der BUND. Diese 40% beziehen sich allerdings nur auf die Menge des Plastikmülls, welcher in den Deponien ankommt. Nicht aber auf die tatsächliche Verwertung. Denn in diesen 40% ist auch das Plastik enthalten, welches ins Ausland exportiert oder verbrannt wird.

Die tatsächliche Recyclingquote liegt in Deutschland bei nur 15,6%

Offiziell liegen die Recyclingquoten in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern bei sehr hohen 45%. Diese 45% entsprechen aber, wie bereits erwähnt, nicht der tatsächlichen Recyclingquote. Denn Kunststoffe gelten bereits als recycelt, wenn sie in Mülldeponien ankommen oder ins Ausland transportiert werden.

Tatsächlich zu Rezyclat verarbeitet wird nur 15,6% des deutschen Plastikmülls. Von den 2017 produzierten 5,2 Millionen Tonnen Plastikmüll wurden z.B. lediglich 0,81 Millionen Tonnen wiederverwertet. 0,09 Millionen Tonnen wurden ins Ausland exportiert und 3,15 Millionen Tonnen verbrannt.

Grafik: PLASTIKATLAS | Appenzeller/Hecher/Sack, CC BY 4.0

Deutschland ist der weltweit drittgrößte Exporteur von Plastikmüll

Anfang 2018 ging durch die Medien, dass China die Importe von Plastikmüll aus den USA und Europa durch schärfere Vorgaben unterbindet. Für viele Menschen, mich inklusive, wurde erst zu diesem Zeitpunkt klar, dass unser Plastikmüll gar nicht in Deutschland, sondern im Ausland verarbeitet wird, und wir somit indirekt auch für die Plastikflut in den Importländern verantwortlich sind.

Seit 1988 wurde unser Plastikmüll bereits nach China gebracht und dort zu Rezyclat verarbeitet. Dieses wurde dann von China für die Wiederverwendung bereitgestellt. Seit der Verschärfung ihrer Vorgaben in 2018 exportieren die Industrienationen ihren Plastikmüll in andere asiatische Länder, wie z.B. Malaysia.

Deutschland belegt dabei sogar den dritten Platz hinter den USA und Japan. Stolze 12,7% aller Müllexporte stammen von uns.

Grafik: PLASTIKATLAS | Appenzeller/Hecher/Sack, CC BY 4.0

Durch die Unmengen an Plastikmüll, die durch den Exportstop von China nun in Malaysia landen, will auch dieses Land die Annahme von Plastikmüll aus den Industrienationen deutlich reduzieren. Es fehlt die notwendige Infrastruktur, um diese unfassbaren Mengen an Plastikmüll zu bewältigen.

Aus diesem Grund entstanden bereits viele illegale Recyclinggeschäfte. Müll wird unkontrolliert verbrannt – mit schlimmen Folgen für die Gesundheit der Menschen und die Umwelt.

Auch weitere asiatische Importländer wie Thailand kündigten an, die Einfuhr von Plastikmüll zu stoppen. Sollten sich noch mehr Importländer zu solchen Maßnahmen entschließen, bleiben wir auf unserem Plastikmüll sitzen.

Eine besprochene Lösung sollen sogenannte “Waste-to-Energy”-Anlagen werden, in denen Plastikmüll verbrannt wird und die entstehende Energie genutzt werden soll. Hier entstehen bei der Müllverbrennung aber große Mengen an Treibhausgasen, was wiederum schlecht für unsere aktuelle Klimasituation ist.

Grafik: PLASTIKATLAS | Appenzeller/Hecher/Sack, CC BY 4.0

In Deutschland wird mehr als die Hälfte der Plastikprodukte verbrannt

Auch in Deutschland wird immer mehr Plastikmüll verbrannt. Das klingt zunächst einmal nach einer Lösung, mit der wir dem Plastikproblem Herr werden können. Leider ist, wie oben bereits erwähnt, das Verbrennen von Kunststoff keine gute Lösung. Im Gegenteil – es führt zu weiteren Umweltproblemen.

Bei jeder Art von Verbrennung entstehen Giftstoffe, die in die Umwelt geraten, und von Mensch und Tier eingeatmet werden. Zudem kann Plastik nicht restlos verbrannt werden.

Die Reststoffe – Asche und Staub – können nicht weiter verwertet werden und müssen ebenfalls irgendwo unterkommen. Aktuell werden diese Reststoffe in Bergwerken gelagert. So z.B. in Thüringen. Hier werden jährlich 350.000 Tonnen Staub und Asche in Bleicherode eingelagert. Bereits in 15 Jahren ist dieses Lager aber voll. So wie viele andere Lager weltweit.

Die von Coca Cola jährlich produzierten Plastikflaschen reichen 31 Mal zum Mond und wieder zurück

Im Jahr 1978 entschied sich Coca Cola, die ihre Kultfalsche aus Glas durch Plastikflaschen zu ersetzen. Mit fatalen Folgen für die Umwelt. Mittlerweile produziert Coca Cola jährlich 88 Milliarden Plastikflaschen. Das entspricht einer Produktion von 167.000 Plastikflaschen pro Minute. Würdest du diese Plastikflaschen aneinanderreihen, könntest du 31 Mal eine Plastikflaschenstraße von der Erde zum Mond und zurück legen.

Coca Cola produziert 3 Millionen Tonnen Kunststoffverpackungsabfälle im Jahr und ist damit Plastikmüll-Spitzenreiter.

Dicht gefolgt von Nestlé mit 1,7 Millionen Tonnen Kunststoffverpackungsabfällen, Danone mit 750.000 Tonnen und Unilever mit 610.000 Tonnen.

Kunststoffverpackungsabfälle von Coca Cola Nestlé Danone und Unilever pro Jahr
Grafik: PLASTIKATLAS | Appenzeller/Hecher/Sack, CC BY 4.0

Dabei landen viele dieser Verpackungen nicht im Müll, wo sie hingehören, sondern in der Natur. Bei sogenannten “Brand Audits” (Müllzählungen von Markenprodukten) der BFFP-Organisation wurde Coca Cola zusammen mit PepsiCo, Mondelez, Mars, Colgate-Palmolive und Procter & Gamble zu den größten Plastikverschmutzern in der Natur gezählt.

Die zehn größten Plastikverschmutzer
Grafik: PLASTIKATLAS | Appenzeller/Hecher/Sack, CC BY 4.0

Weltweit gelangen jährlich einige Hunderttausend Tonnen Mikroplastik in die Böden

Dass Mikroplastik ins Meer gelangt, wissen wir bereits. Aber auch auf unseren Ackerflächen, Wiesen, in Flüssen und Seen gibt es Mikroplastik. Die Verschmutzung von Böden und Binnengewässern ist sogar zwischen 4 und 23-mal so hoch wie im Meer.

Mikroplastik findet seinen Weg aus z.B. Kosmetika und Textilien über unsere Abwässer in den Klärschlamm.

Dieser wird als Düngemittel in die Landwirtschaft gegeben und dort auf die Felder getragen. So gelangten in 2016 ca. 53.775 Tonnen Mikroplastik alleine in Europa auf unsere Ackerflächen.

Neun von zehn Plastikteilchen werden in Kläranlagen rausgefiltert und verbleiben somit im Klärschlamm. Klärschlamm darf bis zu 0,5% Fremdstoffe enthalten. Als fremdstofffrei gilt er ab einem Anteil unter 0,1%. Leider werden bei den Berechnungen nur Fremdstoffe berücksichtigt, die größer als 2 mm sind. Kleinere Teile gelten nicht als Fremdstoff, aber dennoch als Mikroplastik.

Auch Dünger aus Bioabfällen kann Mikroplastik enthalten, da es bisher erlaubt ist, Lebensmittel in der Verpackung zu schreddern, zu kompostieren und danach zu vergären. In Zukunft gibt es hier laut Plastikatlas aber neue Vorschriften, die besagen, dass die Verpackungen vom Bioabfall getrennt werden müssen.

Weitere Informationen zum Thema Mikroplastik findest du in unserem Beitrag “Mikroplastik – die winzige Gefahr“.

Jedes Jahr gelangen etwa 10 Millionen Tonnen Plastikmüll in die Weltmeere

Grafik: PLASTIKATLAS | Appenzeller/Hecher/Sack, CC BY 4.0

Die häufigsten Abfälle an ausgesuchten Küstenlinien sind Plastik-/Polystyrol-Stücke, Zigaretten, Plastiktüten, Plastikflaschen und -deckel und Plastikverpackungen.

Verursacher für Plastikmüll im Meer sind Schifffahrt, Fischerei und maritime Industrie, aber auch der Tourismus. Das wird besonders am Mittelmeer deutlich. Hier steigt die Müllverschmutzung in den Sommermonaten um satte 40% an. Das verdeutlicht den direkten Zusammenhang zwischen Tourismus und Müllproduktion.

An der Ostsee ist der Anteil an gefundenen Plastikteilen mit 24% besonders hoch, und kann auch hier vor allem auf Touristen zurückgeführt werden. Doch auch in der Nordsee konnten im Durchschnitt 11 kg Müll pro Quadratkilometer ermittelt werden.

Schätzungsweise sind bereits 86 Millionen Tonnen Plastik im Meer gelandet. 34 Millionen Tonnen davon liegen im offenen Meer. 210.000-439.000 Tonnen Plastik treibt dabei auf der Meeresoberfläche, Teile davon sammeln sich in 5 Müllstrudeln, die sich auf unsere Weltmeere verteilen.

Der Great Pacific Garbage Patch ist der größte Müllstrudel und mit einer Fläche von 1,6 Millionen Quadratkilometern sogar 4,5-mal so groß wie Deutschland.

Grafik: PLASTIKATLAS | Appenzeller/Hecher/Sack, CC BY 4.0

In einer Basstölpelkolonie auf Helgoland wurde entdeckt, dass 97% der Nester Kunststoffe wie Fischernetzreste, Leinen und Schnüre enthalten. Auf Helgoland ist jeder dritte verletzte oder tote Basstölpel (Seevogel) an Plastik im Magen gestorben oder an Plastik erstickt. Auch bei 95% der toten Eissturmvögel an der Nordsee wurde Plastik im Magen gefunden.

Basstölpel mit Nest aus Fischernetzen
Basstölpel mit Nest aus Fischernetzen

Wie Plastik neben Tourismus und Schifffahrt noch ins Meer gelangt, kannst du in unserem Beitrag “Wie landet unser Müll ins Meer” nachlesen.

Kunststoffe werden bis 2050 rund 56 Gigatonnen CO2-Emissionen erzeugt haben

Kunststoffe verschmutzen nicht nur unsere Umwelt und schaden unserer Gesundheit. Denn bei der Kunststoffproduktion, der Verarbeitung und der Entsorgung entstehen riesige Mengen an Treibhausgasen.

Alleine im Jahr 2015 entstanden durch die Herstellung von Kunststoffen 1085 Millionen Tonnen CO2. Durch die Weiterverarbeitung entstanden weitere 535 Millionen Tonnen CO2 und durch die Entsorgung von Kunststoffen entstehen immer noch noch satte 161 Millionen Tonnen CO2.

Wie Plastik zur Klimakrise beiträgt

Insgesamt entstehen über den kompletten Produktlebenszyklus von Kunststoffen innerhalb eines Jahres also 1781 Millionen Tonnen CO2. Das entspricht in etwa dem CO2-Ausstoß vom Energieversorgungs- und Landwirtschaftssektor der EU zusammen.

Bis 2050 ist prognostiziert, dass diese Emissionen sich auf insgesamt 56 Gigatonnen CO2-Ausstoß für die Kunststoffproduktion,- verarbeitung und -entsorgung summieren. Das bedeutet, dass alleine zwischen 10% und 13% des verbleibenden CO2-Budgets für das 1,5-Grad-Ziel auf Kosten der Kunststoffe draufgehen.

Anteil des CO2 Austoßes der weltweiten Kunststoffproduktion am Maximalbudget zur Einhaltung des 1,5 Grad Ziels
Grafik: PLASTIKATLAS | Appenzeller/Hecher/Sack, CC BY 4.0

Kinder in Deutschland sind zum Teil sehr stark mit Weichmachern belastet

Kunststoffe werden aus Erdöl und Erdgas hergestellt. Um die entsprechenden Eigenschaften je nach Verwendungszweck zu erreichen, werden den Basismaterialien noch chemische Zusatzstoffe hinzugefügt. So z.B. fluorierte Verbindungen, bromierte Substanzen, Flammschutzmittel und Weichmacker.

Diese Zusatzstoffe sind bekanntermaßen gesundheitsschädlich. Dennoch sind sie in vielen Produkten enthalten, die in direkten Kontakt mit Menschen kommen. So z.B. in Hygieneartikeln, Plastikflaschen, Plastikbehältern, Kinderspielzeug, etc.

Eine Untersuchung aus Deutschland hat gezeigt, dass vor allem Kinder zum Teil sehr stark mit Weichmachern belastet sind. Sie spielen auf dem Boden, mit ihrem Plastikspielzeug, nehmen es in den Mund und haben eine höhere Stoffwechselrate als Erwachsene. Weichmacher können sich auf die Fortpflanzungsfähigkeit auswirken, und andere hormonelle Krankheiten verursachen (z.B. Brustkrebs, verfrühte Pubertät, Fettleibigkeit, Allergien und Diabetes).

Aber auch der indirekte Kontakt mit Kunststoffen kann gefährlich sein, denn die schädlichen Zusatzstoffe sind nicht fest im Plastik gebunden. Sie entweichen mit der Zeit und reichern sich in der Innenraumluft an. Auf diesem Weg gelangen sie auch über die Atemluft in unsere Körper.

Frauen sind stärker von gesundheitlichen Schäden durch Plastikprodukte betroffen als Männer

Und das hat leider viele Gründe. Zum einen liegt es an den Produkten, die Kunststoffe enthalten – nämlich die Hygieneartikel. Tampons haben einen Plastikanteil von bis zu 6%, Binden bestehen sogar zu 90% aus rohölbasierten Kunststoffen.

Grafik: PLASTIKATLAS | Appenzeller/Hecher/Sack, CC BY 4.0

Sowohl Tampons als auch Binden können hormonell wirksames BPA und BPS enthalten, welche bei Hautkontakt nach weniger als 5 Sekunden in den Körper gelangen. Applikatoren von Tampons enthalten außerdem Phtalate (Weichmacher). Frauen verwenden in ihrem Leben ca. 12.000 bis 15.000 Tampons und mehrere Tausend Binden.

Wie du auf Tampons verzichten kannst, kannst du in unserem Menstruationstassenratgeber nachlesen.

Grafik: PLASTIKATLAS | Appenzeller/Hecher/Sack, CC BY 4.0

Auch Kosmetika enthält Mikroplastik, welches sogar durch die Plazenta zum Fötus gelangen kann. In vielen Ländern sind Frauen außerdem immer noch die Hauptkraft im Haushalt und somit häufiger in Berührung mit Giftstoffen aus Reinigern & Co.

Außerdem sind weltweit schätzungsweise ca. 30% der Beschäftigten in der Kunststoffindustrie Frauen, und Frauen machen auch in Entwicklungsländern die Hauptarbeitskräfte auf den Deponien aus. In den ärmsten Bevölkerungsschichten sind Frauen und Kinder dafür zuständig, verwertbaren Plastik- und Elektromüll zu sammeln und somit das Familieneinkommen zu sichern.

Biokunststoffe sind keine Lösung

Biokunststoff wird mittlerweile als nachhaltige Alternative zum erdölbasierten Kunststoff angesehen. Angeblich baut sich Biokunststoff aus Mais oder Zuckerrohr schneller ab, als konventioneller Kunststoff.

Das stimmt aber leider nicht. Biokunststoffe bauen sich nur bei bestimmten Temperaturen in Industriekompostieranlagen ab. Im Meer bleiben sie ebenfalls über Jahre erhalten, da es in der Meeresumgebung – und auch in der Natur – einfach zu kalt ist.

Und auch wenn “Bio” im Namen steht, heißt das nicht, dass Biokunststoff auch besser für die Umwelt ist. Zuckerrohr stammt meist aus Brasilien und wird dort in konventioneller Landwirtschaft unter hohem Einsatz von Pestiziden in Monokulturen angepflanzt. Pestizide schaden der Insektenwelt, übersauern unsere Böden. Monokulturen führen nichts an die Böden zurück und bringen keine Biodiversität. Das macht die Ökobilanz von Biokunststoffen vermutlich genauso schlecht wie die von erdölbasierten Kunststoffen.

Werden die Biokunststoffe in Industrieanlagen kompostiert, entstehen nicht einmal hummusbildenden Stoffe, sondern nur Wasser und Kohlendioxid und mineralische Zusatzstoffe.

Weitere Gründe und eine ausführliche Erklärung, wieso Biokunststoff keine gute Alternative ist, kannst du in unserem Beitrag “Biokunststoff – wie nachhaltig ist die Alternative wirklich?” nachlesen.

Die Schuldfrage und der Weg aus der Krise liegen nicht alleine auf den Schultern der Endverbraucher

Häufig wird der Endverbraucher für die hohen Mengen an Plastikmüll verantwortlich gemacht. Das stimmt auch zum Teil, denn wir entscheiden selbst, welche Produkte wir kaufen, und welche nicht.

Wir können wählen, ob wir ein Produkt, welches in Plastik verpackt ist, tatsächlich brauchen oder nicht. Wir entscheiden, ob wir die Plastiktüte oder den Baumwollbeutel benutzen, ob wir das Plastikspielzeug oder das Holzspielzeug kaufen. Oder ob wir etwas neu kaufen müssen, oder es doch nicht auch Second Hand kaufen können.

Trotzdem sollten auch die Hersteller von Produkten für den Endverbraucher in die Verantwortung genommen werden. Leider sind Unternehmen hauptsächlich auf Profit aus, und wollen ihre Kunststoffproduktion häufig sogar noch ausweiten.

Es ist also die Politik gefragt, um dieses globale Problem zu lösen.

Wir brauchen weltweit mehr Verbote von Einwegplastik, schärfere Gesetzte für den Einsatz von Giftstoffen, höhere Strafen für Konzerne, die Plastikmüll in die Umwelt entsorgen, uvm.

Die Organisation “Break Free From Plastic” (BFFP) hat sich zum Ziel gesetzt, solche Verbote und Regelungen zu forcieren. Ihre Aktionen haben bereits große Erfolge erzielt. Weltweit haben sich bereits mehr als 1400 Organisationen der BFFP angeschlossen.

Zudem gibt es Initiativen wie die “Kunststoffstrategie” der EU-Kommission. Diese Strategie sieht unter anderem vor, dass bis 2030 alle Kunststoffverpackungen recycelbar sein müssen. Zudem sollen bestimmte Einwegplastikprodukte (Trinkhalme oder Kunststoffbesteck) verboten werden und die Rezyklatquote erhöht werden.

Unser Fazit

Der Plastikatlas 2019 gibt einen wahnsinnig informativen Überblick über die aktuelle Plastikkrise. Obwohl wir uns viel mit der Thematik “Plastik” auseinandersetzen, waren wir von einigen Fakten extrem schockiert.

So z.B. von dem Fakt, dass unsere tatsächliche Recyclingquote bei unter 16% liegt, und Müll schon als recycelt gilt, wenn er auf den Mülldeponien ankommt. Egal, was danach damit passiert.

Auch die gesundheitlichen Auswirkungen von Plastik waren ein Schock. In den USA wurde im Blut von Schwangeren durchschnittliche 56 verschiedene Arten von Industriechemikalien gefunden – und das nur, weil konkret nach diesen geprüft wurde. Es ist nicht klar, ob es noch weitere Schadstoffe im Blut gibt, nach denen nur nicht getestet wurde. Uns hat auch schockiert, dass Plastik in die Innenraumluft Schadstoffe abgibt, und wir es somit auch indirekt aufnehmen.

Ein weiterer Fakt, der uns in diesem Ausmaß nicht bewusst war: Mikroplastik ist an Land ein größeres Problem als im Meer und betrifft unsere Lebensmittel, auch wenn wir uns vegan ernähren.

Und was machen wir jetzt mit diesen Fakten? Wie gehen wir weiter damit um? Kopf in den Mikroplastik-Sand stecken und frustriert sein? Das ist vermutlich eine Lösung – die das Problem aber nicht behebt.

Besser: Wir lenken die Frustration um, und stecken die Energie in unsere Motitvation, weiterhin Plastik zu vermeiden. Wir werden weiterhin noch weniger Produkte in Plastik verpackt kaufen. Wir werden weiterhin auf die Problematik aufmerksam machen. Wir wollen außerdem Hersteller kontaktieren, und sie um Alternativen zu ihren Plastikverpackungen bitten (z.B. über die App “Replace Plastic” (unbezahlte Anzeige). Wir wollen uns außerdem mehr über die Organisation BFFP (Break Free From Plastic) informieren und noch mehr Produkte, wenn wir sie dringend benötigen, Second Hand kaufen.

Unser Motto lautet also: Reduce. Reuse. Nerve the Hersteller. Zero Waste.

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Quellen:

https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/chemie/chemie_plastikatlas_2019.pdf

https://rp-online.de/panorama/deutschland/plastikmuell-deutschland-recycelt-nur-16-prozent_aid-39277953

Alle Grafiken stammen aus dem Plastikatlas und sind laut Lizenz frei verfügbar und können geteilt werden: https://www.boell.de/de/2019/06/06/plastikatlas-grafiken-und-lizenzbestimmungen?dimension1=division_pm

2 Kommentare zu „Unsere Plastikkrise – Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Plastikatlas 2019“

  1. Hallo,

    vielen Dank für die Mühe, die Ergebnisse zusammenzufassen. Ich finde die Zahlen auch schockierend…
    Ein kleiner Hinweis: In eurem Text sprecht ihr von 167.000 Flaschen pro Sekunde, in der Infografik steht aber 167.000 Flaschen pro Minute. 🙂

    Ich hab eure Seite heute erst entdeckt und werde mich jetzt mal durch die verschiedenen Beiträge durchlesen. 🙂

    1. Hey Micky 🙂 Herzlichen Willkommen auf fairlis.de! Wir freuen uns, dass du den Weg zu uns gefunden hast.❤
      Die Zahlen sind wirklich schockierend – aber zum Glück stimmen die 167.000 Flaschen pro Sekunde wirklich nicht, danke für den Hinweis!

      Wir haben den Text korrigiert und hoffen, dass du unsere anderen Beiträge ebenfalls hilfreich fandest.

      Ganz liebe Grüße
      Caro

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